Die Enttäuschungen aus der 2. Reihe, auf die du glaubtest, noch sicher zurückgreifen zu können,…

… sind die schlimmsten. Komisch: Plötzlich kommt das hoch, was mir mein Lebensgefühl vergiftet hat seit langem. Es hält mich auf, vom Fortgang der Sitzung der erweiterten Schulleitung zu berichten („Mein Weg ins Leben“, Teil 7).

1. Enttäuschung: Dass Beziehungen scheitern, passiert immer wieder. Schlimm genug. Aber dass du dann auf die „zweite Reihe“, auf die du dachtest, dich verlassen zu können, auch nicht mehr zählen kannst, ist bitter. Wahrscheinlich kommt dieser Tiefpunkt – dieser Beitrag ist den Themen „Was bleibt?“ und „Niederlagen und Pyrrhussiege“ zugeordnet – in meinem Leben wieder hoch, weil ich mich mit meiner Lebensgefährtin (Cornelia) in einer Umzugssituation befinde.

Ich lebte allein in einer großen Wohnung mit Keller und Abstellkammer, nachdem meine damalige Frau sich neu verliebt und mich verlassen hatte. Sie hatte all die Sachen, die sie nicht mehr interessierten, in unserer gemeinsamen Wohnung gelassen. Dazu gehörten auch mehrere Fotoalben aus ihrer persönlichen Vorgeschichte. Sie waren für sie nicht mehr von Interesse. Sie hatte ihr altes Leben einfach bei mir gelassen und war mit leichtem Gepäck neu gestartet.

Eigentlich hatte ich Zeit genug gehabt, mich auf den Umzug vorzubereiten. Ein Freund, der einen Teil seiner Sachen bei mir untergestellt hatte, meldete sich plötzlich nicht mehr. Er reagierte einfach nicht auf eine Vielzahl von Anfragen. Jetzt hatte ich das auch noch an der Backe.

Ein Plus in meinem Leben war, dass ich finanziell immer gut dastand. Also konnte ich eine Umzugsfirma beauftragen, zu deren Angebot gehörte, Übriggebliebenes zu entsorgen. Allein, ich konnte dem Frieden nicht trauen, obwohl ich doch sonst so gutgläubig war.

Im Nachhinein frage ich mich, warum ich mich so verrückt gemacht hatte. Die Firma hätte das locker auch noch mit erledigt. Aber irgendwie schämte ich mich dafür, dass ich es nicht hingekriegt hatte und sitzen geblieben war auf dem Gerümpel des „Freundes“. Also schleppte ich tagelang seine Sachen in Kleidercontainer.

Der Tag des Umzugs rückte immer näher. Ausgerechnet an diesem Tag war der meiner Söhne, der in der Nähe wohnte, im Urlaub. (Auch das war eine Enttäuschung, denn er wusste ja von meinem Umzug.) Zwei Tage zuvor merkte ich, dass ich es nicht schaffen würde, die Küchenschränke auszuräumen. Ich konnte nicht glauben, dass die Entsorgung dieser Rückstände – alte Tütensuppen und Gewürze aller Art, Töpfe, Pfannen und Geschirr – mit zum Repertoire der Umzugsfirma gehörte. Ich hatte deswegen extra noch einmal angerufen, aber so konkret hatte ich mich nicht getraut zu fragen.

Also die Unsicherheit blieb, und Unsicherheit und Angst nähren die Panik. Das sind die Momente, wo man sich fragt, wer gehört denn zu „deinen Menschen“, wer ist dir denn nah, wem kannst du deine Panik gestehen. Meinem besten Freund Berthold hätte ich davon vertrauensvoll erzählen können. Kein Problem.

Aber er wohnte zu weit weg, und ich wusste, dass er beruflich sehr beschäftigt war und mehr Aufträge annahm, als er bewältigen konnte. Außerdem und vor allem vielleicht scheute ich mich mehr oder weniger unbewusst, die „Probe aufs Exempel“ zu machen: Wie oft hatten wir große Töne von unserer Freundschaft geschwungen, davon geredet, dass wir nachts um 3 Uhr beim anderen aufkreuzen könnten und uns helfen würden.

Wahrscheinlich wollte ich die traurige Wahrheit gar nicht erfahren, dass das in Wirklichkeit doch nicht so war und er im Fall des Falles vor seiner Frau kuschen würde. Vielleicht tue ich ihm auch Unrecht. Das ist der Nachteil, wenn man etwas nicht wirklich ausprobiert. Aber ich befürchte, dass ich mit meiner Befürchtung recht habe (siehe Enttäuschung 2).

Wer kam dann noch in Frage, der näher dran wohnte und beruflich entlastet war? Da fiel mir meine Halbschwester Maria ein. Wir hatten und haben ein gutes Verhältnis. Und außerdem hatte ich ihr vor Jahren bei ihrem Umzug geholfen. Sie hatte öfter von ihrem großen Freundeskreis geredet, aber zu ihrem Umzug noch zu DDR-Zeiten war keiner von denen da. Nur Familie. Ich belud meinen Trabant-Kombi, zerkratzte ihn mir innen.

Ein Auto ist für mich, anders als es mein Vater sah, ein Gegenstand, den man für menschliche Zwecke benutzen soll, wenn es nötig ist, auch rigoros. Also eigentlich kein Problem, aber zu DDR-Zeiten in einer Gesellschaft, die kein richtiges Geld hatte, hatten Autos einen sehr hohen Weiterverkaufswert, den ich mir damit beeinträchtigte.

Als ich Maria von meiner Panik am Telefon eindringlich erzählte, meinte sie, Karl, du schaffst das schon und gab mir noch ein paar „Tipps“, wie ich das machen kann. Mit dem Zug hätte sie 3 Stunden zu mir gebraucht. Sie sollte nicht wie ich damals Möbel schleppen, sondern mir einfach nur zur Seite stehen. Weil ich beim Umzug nicht an zwei Orten gleichzeitig sein konnte, meiner alten und meiner neuen Wohnung, passierte dann prompt, was einfach zu vermeiden gewesen wäre: Die Umzugsfirma brachte mir Müllsäcke, die entsorgt werden sollten und entsorgte andererseits Säcke, auf die ich vergeblich wartete.

Ich hatte sie extra vorher sortiert: „Die, die in dieser Ecke stehen, bitte mitbringen. Die, die in der anderen Ecke stehen, bitte in den Müll.“ Zupackende Männer haben für solche Finessen keinen Sinn. Da muss jemand dabei stehen und sie erinnern.

In meiner Panik war mir nicht eingefallen, dass ich auch noch Roswitha, die Mutter meiner Exfrau, hätte fragen können. Sie hätte mir bestimmt geholfen.

2. Enttäuschung: Kurz vor meinem 70. Geburtstag gab es wieder mal einen erbitterten Streit mit Cornelia. Wir haben uns nicht eingekriegt. Ich konnte es nicht fassen. Ungläubig sah ich zu, wie das Gebäude einer neuen eheähnlichen Partnerschaft, das wir im Begriff waren, uns aufzubauen, in sich zusammenfiel. Wir kannten uns und unser persönliches Wesen noch nicht gut genug. Unsere Lebenserfahrungen  waren zum großen Teil konträr. Wir hatten beide 68 Jahre vorher ganz unterschiedliche Erfahrungen gesammelt, die uns prägten und Gleiches anders bewerten ließen.

Aber in einem waren wir uns einig: Wir hatten einen großen Stolz, aus dem wir uns beide nicht befreien konnten. (Mit der Zeit wird es besser.) Das Ergebnis war, dass die Feier, die wir in Cornelias Haus geplant hatten, nicht stattfinden konnte. Ich musste kurzfristig umdisponieren, was mir auch gelang.

Jetzt wäre es so wichtig gewesen, dass mein bester Freund an der Feier teilnimmt und mir den Rücken stärkt. Er war in relativer Nähe bei seiner Mutter (anderthalb Stunden mit dem Auto), trotzdem führte kein Weg rein, obwohl ich meine Not so deutlich schilderte, wie ich konnte. (Von wegen nachts um 3.)

Immerhin und wenigstens war Maria mit einer anderen Halbschwester und deren Mann bei diesem Geburtstag dabei und auch mein Sohn mit seinem Sohn, meinem Enkel.

Also alles ist nicht misslungen, es gibt auch Lichtblicke, die weiter führen, sogar in der 1. Reihe: Cornelia und ich kriegen uns schneller wieder ein.

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